Zeitzeugengespräch mit einem DDR Flüchtling

Nach gescheitertem Fluchtversuch freigekauft

Goetheschüler führten Zeitzeugengespräch mit DDR-Flüchtling

 

Vorgeschrieben zu bekommen, ob und wo man Urlaub machen darf, was im Fernsehen geschaut wird oder zu wem man Kontakt hat – für uns unvorstellbar. Uwe Pries hat aber genau dies mitgemacht und von diesen Erlebnissen als Kind der DDR jetzt den Schülern der Klassen G9a und G9b der Dieburger Goetheschule berichtet. Kontakte zum Zeitzeugen Pries knüpfte Geschichtslehrer Karl Rupp.

Uwe Pries wurde 1960 im thüringischen Sondershausen geboren und musste sich zwangsweise von klein auf dem DDR-Regime unterordnen. „Als ich in eurem Alter war, hatte ich das Bedürfnis zu verreisen du andere Länder kennen zu lernen“, erzählte er den Neuntklässlern. Doch das sei schlichtweg nicht möglich gewesen, weil die Staatsführung befürchtete, man würde nicht mehr zurückkehren.

Auch Meinungsfreiheit war damals ein Fremdwort, erklärte Pries weiter. Mal eben zu sagen, was man denkt und wünscht, was für die Jugendlichen heute ganz selbstverständlich ist, habe damals ernste Konsequenzen haben können. Mitunter drohte sogar eine Haftstrafe. „Natürlich haben wir auch West-Fernsehen geschaut, obwohl das verboten war“, gab Pries zu. Man haben eben nur nicht darüber reden dürfen, weil man nie wusste, ob es nicht vielleicht Spitzel gab, die dies meldeten. „Der Alltag war geprägt von Mistrauen“, sagte Pries. „und die DDR war nichts anders, als ein riesengroßes Gefängnis“.

Aber warum machen die Menschen so etwas überhaupt mit und akzeptieren es, griff der 54-Jährige einer möglichen Frage der Schüler voraus. Ganz einfach aus Angst. Der Staat habe seine Bürger massiv unterdrückt, teilweise gewaltsam. Deswegen habe er mit 18 oder 19 Jahren den Entschluss gefasst, diesem System zu entkommen und in der BRD ein neues Leben zu beginnen.

Pries erzählt von seinen Fluchtversuchen und der Zeit im Gefängnis

Leicht war das nicht, erinnerte sich Pries. Immerhin bedeutete es, seine Familie zurück zu lassen und vielleicht nicht mehr wieder zu sehen. 1982 war sein Entschluss dann soweit gereift, dass er während eines Urlaubs in Bulgarien zusammen mit einem Freund über die bulgarisch-türkische Grenze zu flüchten versuchte. Erfolglos! Am Grenzzaun wurde er festgenommen und landete für eineinhalb Jahre im Gefängnis in einer Zelle mit 18 Mithäftlingen, wie Pries berichtete. Das sei eine große Herausforderung für das Sozialverhalten gewesen, denn bei so vielen verschiedenen Charakteren habe es ein großes Konfliktpotential gegeben. Aber irgendwie sei es ihm gelungen, im kleinen Rahmen zumindest ansatzweiseeine Form der Demokratie zu finden. Sie und die Aussicht, nach eineinhalb Jahren endlich in die BRD übersiedeln zu können, habe ihn diese Zeit ertragen lassen, sagte Pries. Denn schon bei Haftantritt habe er über einen Anwalt bewirkt, dass er nach Verbüßen seiner Strafe ausgebürgert wird. Aber schon im Gefängnis habe er gelernt, was es bedeutet, ein freies Leben zu führen. Während seiner Untersuchungshaft saß Pries nämlich zusammen mit einem Österreicher in einer Zelle, der festgenommen wurde, weil er einer DDR-Bürgerin bei der Flucht helfen wollte. Und der Mann habe sich nicht von den Wachen beindrucken lassen. „Wir sind immer aufgesprungen und standen still, wenn sie morgens reinkamen. Er blieb einfach liegen und drehte sich um“, erzählte Pries. Auch über das Essen habe sich der Österreicher beschwert, weil es keine Vitamine gab. Dass das erfolgreich war, habe aber auch daran gelegen, dass die DDR-Führung befürchtete, es könne zu internationalen Zwischenfällen kommen, wenn einem Inhaftierten aus einem anderen Land etwas geschehe, berichtete Pries weiter.

Nicht minder interessant auch sein Bericht von der Arbeit, der er im Gefängnis nachging. Dort hat er nämlich zusammen mit seinen Mithäftlingen für IKEA gearbeitet. Das Möbelhaus vergab damals nämlich Fertigungsaufträge in Länder des Ostblocks, wo billiger produziert wurde. IKEA selbst habe später gesagt, nichts davon gewusst zu haben, dass die Aufträge unter anderem von Häftlingen ausgeführt wurden, die dabei Schwerstarbeit leisten mussten, sagte Pries.

1983 erfüllte sich dann endlich sein Traum vom freien Leben. Drei Monate vor Ablauf seiner Haftzeit wurde Pries von der Bundesrepublik freigekauft und Uwe Pries kam nach Westdeutschland, wo er heute den Menschen die Augen für das Leben in der ehemaligen DDR öffnet. Denn wer hier geboren ist, habe keine Vorstellung von dem, was damals „drüben“ vor sich ging, gab er den Schülern in Dieburg mit auf den Weg.