Wer an Europa zweifelt, der sollte Verdun besuchen
Dieburger Goetheschüler besichtigten in Lothringen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts besuchten am letzten Dienstag und Mittwoch die Schülerinnen und Schüler der Klassen G9a und G9c mit ihren Lehrkräften Sina Lannert, Sandra Paul und Karl Rupp Schauplätze des Ersten Weltkriegs um Verdun und Metz in Lothringen/Frankreich. Sie setzten damit auch ein klares Zeichen gegen die in der EU überall gegenwärtigen nationalistischen, antieuropäischen populistischen Tendenzen. Denn den Europa-Skeptikern muss laut den Goetheschülern ins Stammbuch geschrieben werden, dass der Grundstein für die EU nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt wurde, um die Verständigung der zuvor über Jahrhunderte verfeindeten Nationalstaaten zu verbessern und zukünftige Kriege zu vermeiden.
Erstes Ziel der Fahrt war das Schlachtfeld Caureswaldund das Memorial de Verdun, ein Museum, welches mit zahlreichen Quellen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und speziell der 1916 erfolgten Schlacht um Verdun aufwarten konnte. Schon dort konnten sich die Schülerinnen und Schüler einen Eindruck verschaffen, unter welch großem Elend sich das Leben und Sterben in der “Hölle von Verdun” abspielte. Verstärkt wurde dieser Eindruck auch durch den Besuch des Forts Vaux, eines von ehemals 28 Festungswerken um Verdun. Die starken Zerstörungen am Fort zeugen noch heute von den erbitterten Gefechten, die sich die deutschen und französischen Soldaten um diese Stätte lieferten. Gleichfalls besichtigte die Lerngruppe auch das Beinhaus von Douaumont und die umliegenden Gräberfelder und legte ein Blumengebinde nieder. Noch heute ist dort die Landschaft, deren Boden von Millionen Granaten und Geschossen zerfetzt wurde, von Kratern geprägt. Im Beinhaus sind die Überreste von über 130.000 unidentifizierten Soldaten beider Kriegsparteien bestattet. Auch sie sind verstummte, aber doch mahnende Zeugen, die die Nachgeborenen auf ewig daran erinnern sollen, dass so etwas nie wieder passieren darf. In den heutigen Zeiten, in denen viele Politiker aus aller Welt Hass und Angst schüren, eine umso wichtigere Botschaft. Den Abschluss des Ersten Exkursionstags bildete die Fahrt zum “Meuse-Argonne American Cemetery and Memorial”, dem mit über 14.000 Grabstellen größten US-amerikanischen Militärfriedhof in Europa bei Romagne-sous-Montfaucon. Auch dort gedachte die Schülergruppe der Toten und legte Blumen nieder.
Bevor die Goetheschüler am zweiten Lehrausflugstag die Stadt Metz erreichten, machten sie Halt am deutschen Soldatenfriedhof Hautecourt, der 7.885 Kriegstote beherbergt. Die dortigen zwölf Gräber der Gefallenen jüdischen Glaubens erhielten aus religiösen Gründen als Kennzeichnung statt eines Kreuzes eine Grabstelle aus Naturstein. An einem dieser Gräber gedachten die Dieburger in einer Schweigeminute der Gefallenen und der Opfer aller Kriege und legten Blumen auf das Grab. Ganz in der Nähe des Soldatenfriedhofs Hautecourtliegt das Dorf Braquis. Dort fiel am 4. März 1916 Franz Marc, einer der bedeutendsten Maler des Expressionismus in Deutschland. Ein Granatsplitter traf ihn in den Kopf. Eine Gedenktafel erinnert bei Braquis an den Mitbegründer der Künstlergruppe “Blauer Reiter”, deren Werke in der NS-Zeit als “entartet” galten.
In Metz, der Hauptstadt Lothringens besichtigten die Dieburger Schüler – professionell geführt – die Altstadt mit ihrer berühmten gotischen Kathedrale Saint-Étienne, für die der französische jüdische Maler Marc Chagall mehrere Fenster entwarf.
Die Exkursion der Goetheschule in Verdun, die unmittelbar vor den Europawahlen am kommenden Sonntag stattfand, regte die Schüler wie auch ihre Begleitlehrer zum Nachdenken an. „In Frankreich ist der Erste Weltkrieg, hier eigentlich nur La Grande Guerregenannt, viel stärker präsent als in Deutschland“ sagt Französischlehrerin Frau Sandra Paul. „Neben der französischen Flagge weht aber immer auch die Europafahne, ein wichtiges Symbol für ein geeintes Europa. Je länger der Krieg her ist, desto wichtiger wird es, unseren Schülerinnen und Schülern zu erklären, was er für den Frieden in Europa bedeutet.“
Auch die 55 Dieburger Jugendlichen haben angesichts ihrer Eindrücke aus Verdun zu schätzen gelernt, für was die deutsch-französische Versöhnung und der Wiederaufbau Europas nach den Weltkriegen steht. In Verdun appellierten sie an alle Europäer, am Sonntag wählen zu gehen. Ausgestattet mit Europafahnen und einem großen Schild im Fenster des Reisebusses mit dem Schriftzug „L’EUROPE D’ABORD !!!“ (Europa zuerst!) setzen sie ein klares Statement für Europa.