Erinnern und Gedenken – für eine geeinte Welt in Frieden
GoetheschülerInnen gestalteten die zentrale hessische Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in der Frankfurter Paulskirche
„Wozu das Gras nur rot verfärben?
Und allen Schmerzen zu verteilen.
Wozu Grenzen ziehen ums eigene Land,
sich weder fügen noch vereinen?“ (Luisa Echarti, Schülerin der Klasse G10d)
Diese und zahlreiche weitere Fragen formulierten die Dieburger Schülerinnen und Schüler in ihren selbstverfassten Gedichten am Sonntag, den 14. November 2021 während des Volkstrauertags in der Paulskirche Frankfurt. Die Wenigsten unter ihnen haben Krieg und Gewalt am eigenen Leib erfahren. Sie sind aufgewachsen in Frieden und Einheit, fernab von zerbombten Städten oder Schlachtfeldern. Trotzdem erkennen sie die Dringlichkeit des Volkstrauertags im Jahr 2021: Weltweit werden in über 25 Staaten Kriege geführt. Unzählige Menschen leiden aktuell unter Gewalt, Hass und Ausgrenzung. Der Frieden ist ein zerbrechliches Gut, das wir bewahren müssen:
„Heutzutage nehmen wir das alles für selbstverständlich.
Aber wenn wir nicht aufpassen, ist Frieden vergänglich!
Pandemien, Klimawandel, Kriege,
wir haben Probleme und zwar viel zu viele.“ (Federico Böhm, Schüler der Klasse G10d)
Die Gedenkveranstaltung wurde vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen ausgerichtet. Der Volksbund setzt sich als humanitäre Organisation für aktive Friedensarbeit ein und gibt den jüngeren Generationen die Chance, an der Erinnerungskultur mitzuwirken und einen entscheidenden Beitrag für die Bewahrung und Wertschätzung von Frieden und Völkerverständigung zu leisten. Die Dieburger Goetheschule, eine UNESCO-Projektschule, durfte in diesem Jahr den Schulbeitrag in der Paulskirche gestalten und sich im Rahmen der Gedenkveranstaltung zu den Menschenrechten und der Demokratie bekennen.
Die Paulskirche, die als „Wiege der Demokratie“ in die deutsche Geschichte eingegangen ist, eignet sich in hervorragender Weise für die Bekundung von Menschenrechten und der Forderung nach Frieden und Einheit.
An diesem Ort wurde vor über 170 Jahren die erste demokratische Verfassung für Deutschland ausgearbeitet, die mit ihren Grundrechten die Weimarer Verfassung von 1919 und unser heutiges Grundgesetz von 1949 entscheidend geprägt hat.
Knapp 50 Schülerinnen und Schüler der Goetheschule wirkten an der zentralen hessischen Gedenkveranstaltung mit. Unter der Leitung von den Pädagoginnen Julia Ebert, Sina Lannert, Gabriele Schoberth und Sarah Schoberth, präsentierten die Jugendlichen eindrucksvoll ihre Gedanken zum Thema Krieg und Frieden in Form von Texten und Liedern, die unter die Haut gingen. Am Ende des Liedes „Imagine“ von John Lennon hielt der Schulchor fünf Buchstaben in die Luft, die das Wort: „HUMAN“ (Mensch) zeigten. Egal welchen Glauben wir praktizieren, aus welchem Land wir kommen, mit welchem Geschlecht wir uns identifizieren – letztlich sind wir alle Menschen und sollten einander mit Respekt begegnen, um in einer geeinten Welt in Frieden zu leben.
Vom Engagement der SchülerInnen beeindruckt, schloss sich Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) den Forderungen an und mahnte, den Frieden nicht als Interimsphase von Kriegen wahrzunehmen. Er rief die BesucherInnen dazu auf, sich täglich für die Bewahrung des Friedens einzusetzen und Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus gemeinsam die Stirn zu bieten.
Ein Rundgang durch das jüdische Dieburg
In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 brannten Synagogen an unzähligen Orten des Deutschen Reiches, in Österreich und in der Tschechoslowakei. Organisierte Schlägertrupps zogen durch Gemeinden und Städte, um jüdische Geschäfte zu zerstören, Wohnungen zu verwüsten und Menschen jüdischen Glaubens zu misshandeln. Tausende Juden wurden verfolgt, verschleppt und getötet. Spätestens an diesem Tag konnte jeder sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren.
Die Klassen G10b und G10d (Sj. 2021/22) unternahmen im Rahmen des Geschichtsunterrichts einen Stadtrundgang durch Dieburg. Sie lernten, dass sich die jüdische Geschichte in Dieburg bis in das 14. Jahrhundert nachverfolgen lässt. Viele Wohnhäuser und Wohnungen befanden sich in der heutigen Zuckerstraße bzw. auf dem Markt. Zunächst dienten kleinere Gebäude als Betraum, so beispielsweise auch die Zuckerstraße 17, wo die Klassen Halt machten, bevor sie anschließend Richtung Sparkasse bzw. Volksbank liefen. Die erste Synagoge wurde am Markt im Jahr 1869 eingeweiht und schließlich durch einen modernen Neubau im Jahr 1929 ersetzt. In der Reichspogromnacht bekam die SA-Brigade in Darmstadt den Befehl, sämtliche Synagogen im Gebiet anzuzünden oder zu sprengen. Die Aktion sei in zivil auszuführen. Die Dieburger Synagoge brannte nicht, jedoch wurde deren Inneneinrichtung zerstört. Am 10. November kam es zu Ausschreitungen gegen die Dieburger Juden. Berichten zufolge kam es zu Gewalttaten gegen Sachen und Menschen. Zahlreiche Dieburger Juden wurden von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen und am Folgetag zusammen mit anderen Menschen jüdischen Glaubens aus Nachbarorten in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Die Verhaftung und Diffamierung sollten einen Auswanderungsdruck bei der jüdischen Bevölkerung erzeugen.
Die Schülerinnen und Schüler begutachteten Kennkarten von jüdischen BürgerInnen, welche die Namenszusätze „Sarah“ und „Israel“ sowie ein rotes „J“ aufwiesen und lernten von den lokalen antijüdischen Maßnahmen, so z.B. vom Boykott jüdischer Geschäfte, der Zwangsarbeit im Steinbruch Roßdorf, den Entlassungen, den Schulverweis, dem Verbot vom Betreten des Schlossgartens und der Diffamierung von jüdischen Frontsoldaten.
Schließlich zündeten die beiden Klassen Kerzen vor der heutigen Sparkasse und am Landratsamt an und legten Kieselsteine auf dem Sockel des Gedankensteins nieder. In einer Schweigeminute gedachten die Zehntklässler den Opfern des Nationalsozialismus und endeten die Geschichtsstunde mit dem Gedanken von Max Mannheimer, einem Holocaust-Überlebenden: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“.
Die Klasse G10b überzeugt mit selbst erstellten Podcasts
Am 22. Juni 1941 greift die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion an. Ohne Ankündigung. Die Nazis nannten den Angriff „Unternehmen Barbarossa“. 5,6 Millionen sowjetische Soldaten geraten in deutsche Gefangenschaft und werden als Zwangsarbeiter eingesetzt. 3,3 Millionen von ihnen kommen bei den Strapazen ums Leben. Siehe https://p.dw.com/p/3uxFI
Auch auf dem russischen Soldatenfriedhof in Klein-Zimmern liegen knapp 500 sowjetische Gefallene… bisher namenlos. Heute, 80 Jahre nach dem Angriff, haben die Schülerinnen und Schüler der G10b (Sj. 2020/21) der Goetheschule Dieburg mit Unterstützung von den Kolleginnen Sina Lannert, Diana Barbosa und Kollege Karl Rupp an der Gedenkveranstaltung in Klein-Zimmern teilgenommen.
Im Unterricht hatte die Klasse G10b Podcasts zu 80 Jahre „Unternehmen Barbarossa“ entwickelt, die sie heute während der Gedenkveranstaltung vorstellten. In sechs Audiobeiträgen gingen sie den Geschehnissen im Zweiten Weltkrieg auf den Grund. Im Fokus stand dabei immer:
Was geschah in unserer Region?
Wie erging es den sowjetischen Kriegsgefangenen?
Welche Personen waren beteiligt?
Wie sollte man heute mit unserer NS-Vergangenheit umgehen?
Auf ihrer Website https://achter-mai.web.app/podcast stellt die Klasse ihre Podcasts zum Anhören zur Verfügung.
Die Gedenkveranstaltung heute war sehr gut besucht und begann zunächst außerhalb der Kriegsgräberstätte am Aufstellungsort der neuen Informationstafel. Bürgermeister Achim Grimm von Groß-Zimmern leitete durch das Programm und begrüßte wichtige geladene Redner, wie der Generalkonsul der Russischen Förderration in Frankfurt am Main, der Russisch-orthodoxen Gemeinde in Darmstadt und Viola Krause vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. – Landesverband Hessen. Untermalt wurde das Programm von Sopranistin Magdalena Hermann aus Groß-Zimmern.
Ein Ziel des Gedenkens heute war es, den unbekannten gefallenen Soldaten einen Namen zu geben. Sehr viele Identitäten hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge inzwischen ermittelt und hatte für heute sogar die Enkelin und zwei Urenkel eines auf der Kriegsgräberstätte bestatteten Toten nach Klein-Zimmern geladen. Die Namen der Toten standen auf kleinen Tonziegeln, die die Klasse G10b anschließend zur Kriegsgräberstätte trug und verteilt niederlegte. Anschließend wurden die Namen von 80 Toten verlesen, die auf der Kriegsgräberstätte ruhen.
Wir haben uns über das große Interesse an diesem Thema deutscher Geschichte gefreut. Viele Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Jahrgangsstufen sowie zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben der Gedenkveranstaltung beigewohnt. Es zeigt uns, wie groß die Anteilnahme an den Verstorbenen des Zweiten Weltkriegs ist, egal welcher Nationalität…
Wir danken der Klasse G10b sowie unseren KollegInnen für Ihren wichtigen Beitrag zur Gedenkveranstaltung! Erst durch die Podcasts, die akustisch eingespielt wurden, und die Namenstäfelchen wurde die Veranstaltung zu einer sehr individuellen emotionalen Erfahrung.
Geschichte online – Ein Projekt der Klassen M10a, G10b und G10c:
„Sie können mich einsperren, ich bin bereit.“ – Wie zwei fränkische Pfarrer mit ihrer Gemeinde den Nazis trotzten.
Bereits im Dezember 2020 nahmen unsere drei 10. Klassen an der digitalen Schulveranstaltung des Schriftstellers Roman Grafe teil. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erörterte er beispielhaft, was Widerstand im Dritten Reich bedeutete.
Merle Keller, G10c, hat das Projekt in dem folgenden Artikel beschrieben:
Wie zwei fränkische Pfarrer mit ihrer Gemeinde den Nationalsozialisten trotzten
Das Leben riskieren oder schweigen – wie hättet ihr gehandelt ?
Vor den Ferien haben wir mit unserer Klasse an einer Onlinelektion, mit dem Namen „Wie zwei fränkische Pfarrer mit ihrer Gemeinde den Nazis trotzten“, teilgenommen.
Hierbei erzählten Roman Grafe und Maximilian Schneider die Widerstandsgeschichte der fränkischen Kirchgemeinde Mömbris.
1936 hatte sich der katholische Pfarrer August Wörner offen mit den Nazis im Ort angelegt.
Er und hunderte Katholiken aus Mömbris protestierten gegen den Aushang des NS-Hetzblattes „Der Stürmer”.
Daraufhin drohte dem Pfarrer eine Festnahme, weshalb Christen mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnet das Pfarrhaus beschützten. Nach einer langen Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister und der Pfarrgemeinde wurde der Pfarrer in eine andere Gemeinde versetzt.
Auch sein Nachfolger verhielt sich ähnlich und wurde anschließend ins KZ Dachau verschleppt.
Der Journalist Maximilian machte sich später mit einem Metalldetektor auf die Suche nach Spuren aus der Vergangenheit. Er hörte durch Zufall von einer Geschichte, die er vorher nicht gekannt hatte, weshalb er 80 Jahre anfing eine intensive Spurensuche zu betreiben.
In seiner Audio-Aufnahme sprach er mit vielen alten Leuten, die zu dieser Zeit gelebt haben und von den Vorkommnissen berichten konnten. Diese Erzählungen sind sehr spannend gewesen. Man konnte sich durch die Zeitzeugengespräche ein eigenes Bild von den damaligen Geschehnissen machen.
Nachdem wir die Online-Lektion zu Ende gehört haben, hatten wir natürlich viele Fragen die wir uns nicht selbst beantworten konnten. Also hielten wir unsere Fragen zusammen mit Herrn Silbach fest und sendeten sie per Mail an Maximilian und Roman.
Einer unserer wichtigsten Fragen lautete, ob die Autoren zu damaligen Zeit selbst Widerstand geleistet hätten. Daraufhin antworten sie.
Maximilian: Ich glaube, mit dem jetzigen Wissen über die Gräueltaten der Nazis hätte ich mich nicht anpassen können. Ich denke, ich hätte wieder stand geleistet. Er sagt ich soll immer einfach, aber ich hätte nicht in Rest meines Lebens mit der Schuld auf den Schultern legen können, nichts dagegen getan zu haben
Roman hingegen antwortete: Aktiv Widerstand zu leisten, ist in Diktaturen lebensgefährlich. Für das(eher passive) widerstehen riskiert man nicht sein Leben und auch kaum die Verfolgung durch die Gestapo oder den Staatssicherheitsdienst DDR.
Was die Mehrheit sowohl in der NS-Diktatur und in der SED-Diktatur leider unterlassen hat, bei diesem gefahrlosen Widerstehen: Keinen Handschlag mehr für den Staat machen, als man wirklich musste. Soweit es geht verzichten. Auch auf die Belohnungen für Mitläufer.
Als Jugendlicher in der DDR habe ich bewusst entschieden, keinen aktiven Widerstand zu leisten. Ich hatte große Angst davor, eingesperrt oder getötet zu werden. Aber ich bin immer weniger mitgelaufen, habe immer mehr widerstanden. Ohne Angst vor drastischen Folgen.
Diese Frage haben wir auch in der Klasse diskutiert und sind zu keinem Entschluss gekommen. Viele hätten aktiv gehandelt, während andere eher passiv gehandelt hätten. Wie würde Eure Antwort lauten? Hättet Ihr aktiven Widerstand geleistet und euer Leben riskiert oder hättet Ihr euch lieber zurückgezogen und passiven Widerstand geleistet?
Wie Ihr selbst merkt, wurden unsere Fragen sehr ausführlich beantwortet. Auf jede Frage folgte eine klare Antwort, die uns das Verständnis erleichterten. Wir können uns vorstellen, dass es viel Mühe und Zeit gebraucht hat, all diese Fragen in so einer kurzen Zeit zu beantworten, weshalb wir uns hiermit nochmal bei den Beiden ebenso wie der Naumann-Stiftung bedanken wollen. Wir sind begeistert, wie toll sie mit uns zusammengearbeitet haben und wie Roman Grafe seinen Beruf als Autor auffasst. Außerdem geben Sie vielen jungen Leuten die Möglichkeit, einen Eindruck von die Gefahren und Widerständen jener Zeit zu erhalten. Die Online-Lektion war sehr informativ und die 1 Stunde und 16 Minuten bleiben in lebhafter Erinnerung.
Für uns war diese Online-Lektion ein klarer Gewinn, da man viel lernt und einen wichtigen Teil unserer Geschichte besser verstehen kann.
https://www.br.de/radio/bayern2/spurensuche-wie-moembriser-christen-den-nazis-trotzten-100.html
Video-Lesung mit Erläuterungen aus „Die Schuld der Mitläufer. Anpassen oder Widerstehen in der DDR“ (Pantheon-Verlag 2009). Das Vorwort und die Geschichte von Horst Schmidt „Sie morden wieder auf Befehl. Vater eines Maueropfers“. Länge: 40 Minuten
https://sandbox.digacom.de/feature_grafe/zeitzeuge_roman_grafe.php?titel=2
Die Klassen M10a und G10c im ehemaligen KZ im Elsass
,,N´oublie jamais! – Niemals vergessen!“
Dieburger Goetheschüler besuchten die KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof im Elsass
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts unternahmen die Schülerinnen und Schüler der Klassen M10a und G10c gemeinsam mit ihren betreuenden Lehrkräften Diana Barbosa, Erna Kukuljac, Sarah Schoberth, Jochen Ploner und Karl Rupp einen Lehrausflug zum ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, das im von der Wehrmacht annektierten Elsass als einziges KZ in Frankreich errichtet wurde.
Zuvor besichtigte die Lerngruppe das ,,Mémorial de l´Alsace – Moselle“ in Schirmeck, das die tragische Geschichte der Region im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland dokumentiert. Das Museum thematisiert den Alltag der Elsässer und Mosellaner, die in ihrem Leben als Spielball der Politik bis zu viermal die Seiten zwischen Frankreich und Deutschland wechseln mussten. Der Zwangsrekrutierung großer Teile der männlichen Bevölkerung für die Wehrmacht ist dort ein besonderer Abschnitt gewidmet. Kollaboration, Widerstand und die Lager Schirmeck und Natzweiler sind ebenfalls Gegenstand der Ausstellung sowie die deutsch-französische Versöhnung und der Prozess der europäischen Einigung. Als Ort des Gedenkens und der Kultur empfing die Schüler und Lehrer auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof das ,,Centre européen du résistant déporté“. Es verkörpert die Geschichte der Deportation und der Widerstandsbewegungen in Europa und die Erinnerung an sie.
Die Geschichte des KZ Natzweiler begann im September 1940. Bei der Suche nach Granitvorkommen für die geplanten gigantischen Bauprojekte des ,,Dritten Reiches“ wurde der Geologe und SS-Standartenführer Heinz Blumberg auf dem ,,Mont Louise“ unweit des als Hotel und Gasthof beliebten Ausflugziels ,,Le Struthof“ beim Dorf Natzweiler fündig. Da die Ausbeutung des Steinbruchs durch Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen erfolgen sollte, entstand der Plan, in der Nähe ein neues Konzentrationslager zu errichten. Am 1. Mai 1941 wurde es offiziell eröffnet. Im KZ Natzweiler-Struthof und seinen Außenlagern waren insgesamt rund 52.000 Menschen inhaftiert. Durch die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen, an Krankheiten, durch Misshandlungen, bei Hinrichtungen und bei pseudowissenschaftlichen medizinischen Versuchen starben rund 20.000 Gefangene, davon 3.000 im Hauptlager. Die Durchführung pseudowissenschaftlicher Experimente erfolgte bewusst an Häftlingen, die nach der NS-Rassenideologie als ,,rassisch minderwertig“ angesehen wurden: Sinti und Roma-von ihnen wurden über 500 in das KZ Natzweiler und seine Außenlager deportiert-, Juden sowie Angehörige slawischer Völker.
Das Hauptlager umfasste die Baracken für die Häftlinge, Gefängnis, Krematorium, Sezierraum, Küche und Revier sowie die Lagerstraße, die Appellplätze und die Klärgrube, in die auch die Asche und die verkohlten Knochenreste der im Krematorium verbrannten Leichen hineingeworfen wurden. Das Lager war ursprünglich für etwa 3.000 Häftlinge vorgesehen. Eine Baracke für 150 bis 200 Insassen hatten jeweils eine Länge von 44 Metern und eine Breite von 12 Metern. Später pferchte die SS pro Baracke 650 bis 700 Häftlinge hinein. Außerhalb des Lagers befanden sich die Baracken für die SS-Mannschaften, Kommandantur, Schreibstuben, Villa mit Schwimmbad der Kommandantur. 500 Meter unterhalb des Standortes Struthof wurde 1943 eine Gaskammer eingerichtet.
Mit Ausweitung des Krieges und damit einhergehend der Strukturveränderung im KZ-Lagersystem zu rüstungs- und kriegsorientierten Arbeiten wurde der Abbau des Granits aufgegeben. Es wurden mehrere Arbeits- und Lagerhallen für die Demontagen von Flugzeugmotoren und die Herstellung von Lufttorpedos gebaut. Besonders pervers empfand die Lerngruppe die 1942 erfolgte Einrichtung eines Orchesters auf Befehl des Kommandanten Josef Kramer, das den Marsch der Häftlinge und die Bestrafungen begleiten sollte, um die Häftlinge zu demütigen.
Von den anrückenden Truppen der Alliierten im Elsass wurden die Häftlinge aus Natzweiler-Struthof bereits im September 1944 ins Innere des Reiches evakuiert. Die meisten der Häftlinge wurden nach Dachau deportiert, danach in die Außenlager von Natzweiler in Baden. Im März 1945 fanden die tagelangen Todesmärsche statt, bei denen zehntausende Häftlinge durch Misshandlungen, Hunger, Krankheit und Erschöpfung zugrunde gingen.
An der Klärgrube und in der Gaskammer legten die Goetheschüler Blumengebinde nieder, zündeten Kerzen an und gedachten der Opfer der NS- Herrschaft sowie der Menschen, die in jüngster Zeit von Nazis ermordet wurden. Auf dem Rückweg machte die Lerngruppe einen Halt in der Stadt Saverne und ließ den Exkursionstag ausklingen.
Die Klassen G10B und M10B besuchen das Konzentrationslager Buchenwald und die Goethestadt Weimar unter der Leitung der Geschichtslehrer Anna Untch und Christoph Silbach
von Deborah Michael, Klasse G10B:
Am 11.03.2020 begann der Tag der Klassen G10b und M10b schon um 5:30Uhr, mit einer Busfahrt nach Weimar und der Gedenkstätte Buchenwald. Um das zuvor im Geschichtsunterricht behandelte Thema abzurunden, begaben wir uns auf eine Zeitreise in die Zeit des Nationalsozialismus. Wie einige Schüler früh bemerkten, lief uns der Schauer schon über den Rücken, als wir uns von der sogenannten „Blutstraße“ oder auch „Karacho“, wie uns der Reiseführer später erklärte, dem Gelände näherten. Man stellte sich vor, wie sich die Gefangenen wohl gefühlt haben müssen, als sie von den SS-Männern brutal die Straße „raufgescheucht wurden“.
Um 10 Uhr kamen wir zur ersten Station des Tages: Einen Film über das Arbeitslager, in dem die Nazis sogenannte „asoziale“, Juden, homosexuelle , politische Gefangene und viele weitere Menschen, vor allem Kriegsgefangene ausbeuteten und auch töteten. In dieser Dokumentation sprachen Zeitzeugen über ihre damaligen Umstände und erklärten unter anderem, dass sie bei ihrer Ankunft kategorisiert wurden, sämtliche Haare abrasiert bekamen und sich anschließend in Desinfektionsmittel baden mussten. Ein leichtes Aufatmen gab es, sobald der Sprecher des Films darüber berichtete, wie 21.000 Gefangene 1945 die Übernahme des KZ von Insassen und die folgende Befreiung durch amerikanische Truppen erlebte. Als der Film schließlich um 10:40 Uhr zu Ende war, schwiegen viele einen Moment lang. Man wusste nicht, wie man seine Gefühle in Worte ausdrücken sollte.
Kurz darauf erwartete uns eine Führung über einen kleinen Teil der Anlagen. In jener Führung erfuhren wir etwas über den Ort, an dem wir uns befanden und lernten den verheerenden Unterschied zwischen Rassisten und Antisemiten kennen. Wir bekamen Einblicke in die Ideologie der Nationalsozialisten. Wer noch gar nicht betroffen war, wurde dies spätestens zum jetzigen Zeitpunkt, als wir schweigend die Verbrennungsanlagen besichtigten. Dort verbrannten Insassen gezwungenermaßen die Leichen ihrer Mitinsassen. Diese starben entweder durch Ermordungen, die teilweise im Keller der Verbrennungsanlagen stattgefunden haben, oder an den abscheulichen Bedingungen, unter denen sie leben mussten. Schließlich erschienen über uns allen Fragezeichen, wie Jemand so unmenschlich sein konnte?
Nach einer eineinhalbstündigen Pause in der Weimarer Innenstadt, war der letzte Tagespunkt an der Reihe: Ein Rundgang in der Innenstadt beginnend am deutschen Nationaltheater. Diese befasste sich mit der Weimarer Geschichte und dem Leben Goethes. Die heutige Kulturstadt war noch lange rückständig und mittelalterlich. Zu ihrem kulturellen Aufschwung kam die Stadt erst unter der Regierung von Anna Amalia, die aus einem Ausnahmezustand heraus 1759 ihr Amt als Herzogin übernehmen durfte. Sie baute zügig das Theater aus, das seinen Ruhm erst 1919 mit Ernst Hardt bekam, der ihm seinen heutigen Namen gab.
Goethe kam 1775 mit seinen 26 Jahren als kleine Berühmtheit nach Weimar. Hier war er zunächst als Politiker und nicht als Dichter aktiv. Er bekam erst das Gartenhaus geschenkt, da man ihn mit seinem Ruf als Kulturschaffender für die Stadt gewinnen wollte. Jahre danach übernahm er das Goethehaus. Nachdem er später mehrere Ministerposten hatte, adelig gesprochen und im Geheimrat war, entfloh er dem politischen Druck für zwei Jahre nach Italien und kehrte schließlich als sich selbst wiedergefundener Dichter nach Weimar zurück. Nach langer Ablehnung durch Goethe selbst freundeten er sich mit Schiller in Jena an. Sie wurden beste Freunde und arbeiteten eng zusammen.
Da Goethe überzeugter Monarchist war, hatte er wenig mit dem Nationalsozialismus zutun.
Unser Schultag endete mit der Rückfahrt nach Dieburg.
Widerstand aus christlichem Glauben – Pfarrer Karl Philipp Schwöbel
Ein Projekt der Klassen M10a und G10a,b im Rahmen des Kurses Katholische Religion
Am heutigen Freitag, den 14. Juni 2019 lud die Goetheschule in die Aula ein.
Betreut wurde das Projekt von den Lehrkräften Sina Lannert und Karl Rupp und der Kuratorin Diana Barbosa aus Kolumbien. Zusammengestellt wurde das Projekt aus schriftlichen Quellen des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, des Stadtarchivs Dieburg, des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau/Darmstadt, der evangelischen Pfarrchronik, Zeitzeugenberichten und anderen diversen Quellen.
Die Schüler der die 10. Klassen präsentierten ihre Ergebnisse und berichteten aus dem Leben Karl Philipp Schwöbels.
Unter den Gästen waren auch drei Pfarrer Schwöbel anwesend, darunter auch der Sohn von Karl Philipp Schwöbel, der einst an der Goetheschule unterrichtete. Dieser hat in diesem Jahr sein 70-jähriges Abiturjubiläum. Er war sehr gerührt und begeistert von den Schülerbeiträgen.
Neben dem Jesuitenpater Alfred Delp, der Schüler der Goetheschule war, 1926 sein Abitur machte und als Widerstandskämpfer im Dritten Reich hingerichtet wurde, gab es in der Nazi-Zeit an unserer Schule einen evangelischen – Pfarrer Karl Philipp Schwöbel -, der sich ebenfalls der nationalsozialistischen Weltanschauung widersetze und – wenn man so sagen darf – Widerstand im Kleinen leistete. Auch heute ist der Kleine Widerstand immer noch sehr wichtig, weil es nie mehr dazu kommen darf, dass es den großen Widerstand braucht.
Mit dem Projekt möchten die Religionskurse erreichen, dass in den zukünftigen Neubaugebieten in Dieburgs Westen eine Straße nach Pfarrer Schwöbel benannt wird.
Neben dem Wirken Karl Philipp Schwöbels haben sich die Schülerinnen und Schüler des Kurses Katholische Religion auch mit den dazugehörenden Themen und Personen Bekennende Kirche, Deutsche Christen, Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer, Nationalsozialistische Weltanschauung, Pfarrer Heinrich Karl Alfred Lebrecht, Kunst und Widerstand sowie Medien und Widerstand beschäftigt.
Im folgenden Text wird das Leben und Wirken Schwöbels betrachtet.
Pfarrer Karl Philipp Schwöbel widersetzte sich der nationalsozialistischen Weltanschauung
Während die katholischen Bischöfe frühzeitig die nationalsozialistische „Irrlehre“ in klaren Worten verurteilten, versuchte in der evangelischen Kirche ein großer Teil der Gläubigen, die nationalsozialistische Weltanschauung mit dem herrschenden Verständnis kirchlicher Verkündigung in Einklang zu bringen. Sie organisierten sich in der Bewegung „Deutsche Christen“, die sich als Anhänger der NSDAP in der evangelischen Kirche verstanden. Sie wollten ein „artgemäßes Christentum“ verkündigen und lehnten deshalb Glaubensvorstellungen ab, die vor allem die enge Verbindung zwischen Christentum und Judentum hervorhoben. In den innerkirchlichen Auseinandersetzungen vertraten die Deutschen Christen einen entschieden nationalsozialistischen Standpunkt; sie wollten sowohl die Vielfalt der evangelischen Landeskirchen durch eine zentralisierte evangelische Reichskirche unter einem „Reichsbischof“ ersetzen, als auch die Mehrheit der kirchlichen Gemeinderäte stellen. Aus diesem Grund führten sie im Frühjahr 1933 einen sehr politisierten Kirchenwahlkampf und riefen nicht zuletzt dadurch ihre Gegner auf den Plan. Deren Wortführer wurde der Dahlemer Pastor Martin Niemöller, der mit Gleichgesinnten den „Pfarrernotbund“ ins Leben rief, um den Zugriff der Deutschen Christen und damit des NS-Staates auf die Protestantischen Gemeinden abzuwehren. Sie wollten die Freiheit ihres Bekenntnisses verteidigen, hielten an der Einheit von Altem und Neuem Testament fest und lehnten insbesondere die Übernahme des „Arierparagraphen“ für die Kirche ab. Evangelische Christen fanden sich später in der „Bekennenden Kirche“ zusammen, um die kirchenpolitischen Übergriffe der Deutschen Christen abzuwehren. Viele Landeskirchen strebten jedoch nach einer tragfähigen Grundlage für ihr Wirken im NS-Staat, passten sich teilweise an oder versuchten, eine Art Minimalkonsens zu finden. So schmolz der Kreis der unbedingten NS-Gegner auf wenige hundert Mitglieder der „Bekennenden Kirche“, deren geistiger Wortführer Dietrich Bonhoeffer war.
In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurde Bonhoeffer zu einem der wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Er prägte einen kleinen Kreis von evangelischen Geistlichen, die nach dem Zusammenbruch des NS-Staates die Erneuerung der evangelischen Kirche wesentlich beeinflussen konnten. Dietrich Bonhoeffer gehörte auch zum Kreis der Verschwörer, die den Sturz Hitlers vorbereiteten. Anfang April 1943 wurde Bonhoeffer festgenommen. Ohne Gerichtsverfahren blieb er zwei Jahre im Gefängnis Tegel – eine im Berliner Bezirk Reinickendorf gelegene Justizvollzugsanstalt – in Haft. Hier entstanden seine bedeutendsten theologischen Werke. Im Februar 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer in das KZ Flossenbürg gebracht und hier am 9. April 1945 nach einem SS-Standgerichtsverfahren ermordet. Zwar leistete die Bekennende Kirche im,, Dritten Reich“ Widerstand gegen das Naziregime und die Deutschen Christen, interessierte sich bis auf wenige Ausnahmen aber nicht für die Juden. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer(1906-1945) nannte die Haltung der Bekennenden Kirche zur sogenannten Judenfrage ,,Leisetreterei“.
Auch der Dieburger Pfarrer Karl Philipp Schwöbel gehörte wie sein Vorgänger, Pfarrer Eugen Schrimpf, zur Bekennenden Kirche. Pfarrer Schrimpf, geboren am 9. Juni 1874 in Meiches (heute Ortsteil der Gemeinde Lautertal im Vogelsbergkreis), übernahm am 11. Mai 1924 aus der evangelischen Pfarrei Hirzenhain (heute Wetteraukreis) kommend die Pfarrstelle in Dieburg. Die offene Feindschaft des NS-Regimes gegen alles Christliche, was Schrimpf vor allem im Religionsunterricht zu spüren bekam, machte ihm so sehr zu schaffen, dass er schwer erkrankte und seinen Dienst nicht weiter ausüben konnte. So wurde beispielsweise von der Ministerialabteilung für Bildungswesen, Kultus, Kunst und Volkstum im Einverständnis mit der kirchlichen Behörde im Mai 1934 der Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht dergestalt geändert, dass in der Klassenstufe Sexta statt der Biblischen Geschichte des Alten Testaments, die des Neuen Testaments und in der Quarta anstelle der Biblischen Geschichte des Alten Testaments das Neue Testament behandelt werden sollte. Eine weitere Änderung des Lehrplans für den evangelischen Religionsunterricht erfolgte im April 1935. Jetzt wurden auch in Quinta und Untertertia nur noch Texte aus dem Neuen Testament behandelt. Am 16. Februar 1936 hielt Pfarrer Schrimpf seinen letzten Gottesdienst in Dieburg und begab sich dann in das Sanatorium Hohe Mark in Oberursel, wo der 62-jährige in der Nacht vom 1. auf den 2. April 1936 Selbstmord beging.
Bis zum Amtsantritt von Pfarrer Karl Philipp Schwöbel in Dieburg im Jahr 1937 betreuten Oberkirchenrat Propst Dr. Müller aus Darmstadt und Pfarrer Dr. Ludwig Hahn aus Altheim die evangelische Gemeinde. Pfarrer Schwöbel wurde am 16. September 1896 in Erbach im Odenwald als Sohn des Lehrers Karl Schwöbel und dessen Ehefrau Margarethe geborene Schmunck geboren. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er in König im Odenwald (heute Bad König) im Haus seines Großvaters, des Oberlehrers Philipp Schmunck. In dieser Zeit besuchte er die Volksschule in König und die Realschule in Michelstadt. Mit der Versetzung seines Vaters nach Offenbach wurde er im April 1908 am Grossherzoglichen Gymnasium zu Offenbach am Main für die IV. Klasse angemeldet. Dort absolvierte er am 19. Februar 1915 die Abiturprüfung und erwarb das Reifezeugnis. Er studierte zunächst 2 Semester in Tübingen und 1 Semester in Gießen Theologie. Hernach wurde er zum Militärdienst eingezogen, zunächst zur Ausbildung in der damals noch deutschen Garnison Straßburg und nahm 1917 bis 1918 in der Champagne, in Flandern und an der Somme an Kämpfen teil. Sein Stahlhelm hatte ihn vor einer Schrapnellkugel bewahrt, aber das Einatmen von Giftgas hatte seiner Gesundheit geschadet. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte er das Studium zu Ende führen und im Frühjahr 1921 absolvierte er das 1. Examen in Gießen und 1922 das 2. Examen in Friedberg. Eine schwere Erkrankung verhinderte 1922 zunächst den Beginn seiner pfarramtlichen Tätigkeit. Als Pfarrverwalter war er 1923 in Reiskirchen, 1923 bis 1926 in Hain-Gründau (heute Ortsteil der Gemeinde Gründau im Main-Kinzig-Kreis) und von 1926 bis 1927 in Götzenhain (heute Stadtteil von Dreieich) tätig. 1927 bis Anfang 1937 war er Pfarrer in Rimhorn (heute Ortsteil der Gemeinde Lützelbach) und am 17. Januar 1937 übernahm er die Pfarrstelle in Dieburg und wirkte hier bis zu seiner Versetzung nach Altheim (heute Ortsteil der Gemeinde Münster) im April 1955. In Dieburg gehörte zum Pfarrdienst auch die Seelsorge im Rochus-Krankenhaus und im Gefängnis sowie der Schuldienst an der höheren Schule, der späteren Goetheschule. Von 1955 bis 1962 war Pfarrer Schwöbel als Seelsorger in Altheim tätig, das er 1942 bis 1945 während des Krieges bereits mitversehen hatte. Mit Altheim versah er auch Harpertshausen (heute Stadtteil von Babenhausen) und zeitweilig auch Münster. Nach der Versetzung Pfarrer Schwöbels nach Altheim übernahm am 15. Juni 1955 Pfarrer Wilhelm Eugen Hörnle, geboren am 27. Januar 1908 in Frankfurt/Main – zuletzt Pfarrer in Rimbach (heute Kreis Bergstraße) -, die Pfarrstelle in Dieburg. Am 2. Oktober 1924 heiratete Karl Philipp Schwöbel Irene Zeiß aus Friedberg. Aus der Ehe gingen vier Söhne und eine Tochter hervor. Die Söhne Karl, Philipp und Wilhelm studierten Theologie und wirkten ebenfalls als Pfarrer. Sohn Peter war als Lehrer und Tochter Elsbeth als Kindergartenleiterin tätig. Pfarrer Schwöbel trat 1962 wegen eines Schlaganfalls in den Ruhestand. Er verstarb im Alter von 73 Jahren am 20. November 1969 und fand seine letzte Ruhestätte in Bad König. Bei der Beerdigungsfeier hielt der älteste Sohn, Pfarrer Karl Schwöbel, die Gedenkrede über das Ordinationswort 1. Mose 49,18: ,, Herr ich warte auf dein Heil!´´.
Pfarrer Schwöbel pflegte einen engen Kontakt zu dem ebenfalls auf Seiten der Bekennenden Kirche stehenden Groß-Zimmerner Pfarrer Heinrich Karl Alfred Lebrecht (1901-1945). Pfarrer Lebrecht übernahm am 5. Oktober 1928 die Pfarrstelle in Groß-Zimmern. Lebrechts Vater war im Alter von 21 Jahren vom Judentum zum Christentum übergetreten. Sein Sohn gehörte nach der NS-Rassengesetzgebung somit zu den „Jüdischen Mischlingen ersten Grades“. Pfarrer Lebrecht stellte sich zusammen mit seinem Kirchenvorstand und der Mehrheit seiner Kirchengemeinde immer wieder mutig den staatlichen und offiziellen kirchlichen Stellen entgegen. Am 23. Mai 1944 wurde er zur Zwangsarbeit bei der „Organisation Todt“, der militärisch gegliederten Bauorganisation im nationalsozialistischen Deutschland, dienstverpflichtet. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ließ ihn und seine Familie wie andere Pfarrer, die Juden oder Mischlinge ersten Grades waren, im Stich. Lebrecht war zuletzt in Frankreich stationiert. Am 5. Februar 1945 teilte der zuständige Oberfeldarzt den Familienangehörigen mit, dass Pfarrer Lebrecht im Feldlazarett Euskirchen/Eifel an einer Wundrose in Folge eines Bombenangriffs gestorben sei. Doch seinen Sohn plagten angesichts der Exhumierung seines Vaters im Jahr 1953 Zweifel: Das rechte Schulterblatt schien gedrückt, drei Rippen rechts gequetscht – durch Schlag oder Druck? Die Goldzähne fehlten. Ist der Lazarettmitteilung über die Todesursache zu glauben?
Wegen seiner Mitgliedschaft zur Bekennenden Kirche hatte auch der Dieburger Pfarrer Karl Philipp Schwöbel viele Anfeindungen zu erdulden. Mehrfach durchsuchte die Gestapo das Pfarrhaus, und der Pfarrer musste stets mit einer Verhaftung rechnen. Die Bekennende Kirche schickte den Bekenntnispfarrern immer wieder sogenannte „Kanzelverkündigungen“ zum Verlesen in der Kirche am Sonntag. Pfarrer Schwöbel bekam diese Verkündigungen natürlich nicht mit der Post, sondern er erhielt sie von einem Motorradfahrer. Oft saß unter der Kanzel der evangelischen Kirche in Dieburg ein Spitzel. Ein falsches Wort konnte schlimme Folgen haben. Pfarrer Schwöbel wurde oft zur Gestapo nach Darmstadt bestellt. Um seine Gemeinde und sich selbst nicht zu gefährden, hörte er 1937 auf, die Pfarrchronik zu führen. 1935 hielt er darin noch folgende kleine Begebenheit fest: Er fragte seinen fünfjährigen Sohn Philipp, ob er auch Pfarrer werden wolle. Dieser antwortete mit „nein“. Als Pfarrer Schwöbel seinen Sohn nach dem Grund für dessen ablehnende Haltung fragte, nannte dieser zwei Gründe: Er könne die Predigt vom Pfarrhaus in die Kirche nicht behalten und weil jeden Samstag der Wachtmeister käme. Philipp Schwöbel besuchte von 1940 bis 1945 die höhere Schule in Dieburg, die in der Folge in eine Oberschule für Jungen umgewandelt wurde und in der laut seinen Erinnerungen sich nicht wenige Nazi-Lehrer tummelten. Der am 11. Januar 1922 in Dieburg ( Altstadt 9 ) geborene Jude Siegbert Lorch scheibt in seinen Erinnerungen: ,, Nach der Knabenschule ging ich 1932 ins Konvikt ( = höhere Schule ), musste aber 1934 dort weggehen. Es war dort sehr schwierig für Juden. Man wurde angegriffen, geschlagen und beleidigt. Es waren die evangelischen Studenten, aufgehetzt von Nazi-Lehrern, so einer namens W., der Führer der Lehrerschaft, ein anderer C., ein Nazi 1. Klasse. Im Jahre 1934 gingen wir jüdischen Schüler dann auf die jüdische Schule nach Darmstadt.´´ Aber es gab an der Dieburger höheren Schule auch Nazi-Gegner. Als Pfarrer Schwöbel 1938 Gefängnisseelsorger in Dieburg werden sollte, lehnte die NSDAP den „Bekenntnispfarrer“ als politisch unzuverlässig ab.
Am 20. Januar 1937 übernahm Pfarrer Schwöbel den evangelischen Religionsunterricht am Gymnasium und der Oberrealschule Dieburg. In einem Dankschreiben an Pfarrer Dr. Ludwig Hahn aus Altheim, der die Pfarrei Dieburg vom 17. August 1936 bis zum 16. Januar 1937 kommissarisch leitete und auch den evangelischen Religionsunterricht an Gymnasium und Oberrealschule versah, würdigte Schulleiter Dr. Hans Hescher die schulische Arbeit von Hahn und grüßt ihn mit „Heil Hitler!“. Oberstudiendirektor Hescher hatte am 3. Mai 1933 die Leitung der Schule übernommen. Sein Vorgänger, Oberstudiendirektor Dr. Hans Rill, wurde als Studienrat nach Offenbach versetzt. Im Schuljahr 1936/37 befanden sich an der Unterstufe 17 evangelische Schüler (darunter 5 Schülerinnen) und an der Oberstufe 16 Schüler (darunter 3 Schülerinnen). Für die insgesamt 162 Schülerinnen und Schüler in 10 Klassen waren 18 Lehrkräfte tätig. Die Sexta und Unterprima besuchten je 9 Schüler; die größten Klassen waren Obertertia (20 Jungen und 2 Mädchen) sowie Untersekunda (21 Jungen und 1 Mädchen). Am 3. März 1936 verfügt die hessische Landesregierung, dass Geistliche einen Antrag auf Zulassung zur Erteilung des Religionsunterrichts einzureichen und ihre arische Abstammung durch Vorlage der geforderten Unterlagen nachzuweisen haben. Bereits am 26. Januar 1937 ereilte Schulleiter Hescher die „Erteilung schulplanmäßigen Religionsunterrichts durch Geistliche“ betreffend die Weisung von der Schulbehörde, den Unterricht zu überwachen. Der katholische Religionsunterricht am Gymnasium und der Oberrealschule wurde bis zum Schuljahr 1936/37 zum Teil von einer durch das Bischöfliche Konvikt gestellten Lehrkraft gegeben. Mit Beginn des neuen Schuljahres verzichtete die Schule auf die Stellung einer Lehrkraft durch das Konvikt und übertrug die Unterrichtung des gesamten katholischen Religionsunterrichts Studienrat Jakob Schreher.
Bezüglich der „Gestaltung des Religionsunterrichts“ erging am 13. Januar 1938 an die Kreis- und Stadtschulämter und die Direktionen der höheren Schulen ein regierungsamtliches Schreiben mit folgendem Inhalt: „Dem Grundsatz, dass die Erziehung der deutschen Jugend einheitlich im Geiste des Nationalsozialismus zu erfolgen hat, ist in der Schule in allen Fächern strengstens Rechnung zu tragen. Da Religion als ordentliches Lehrfach der Schule gilt, muss auch hier dieser Grundsatz berücksichtigt werden. Stoffe, die dem Sittlichkeitsempfinden der germanischen Rasse widersprechen, sind nicht zu behandeln. Große Teile des Alten Testaments können daher für den Unterricht nicht in Frage kommen, die übrigen werden stark in den Hintergrund treten müssen. Es ist heute nicht der Zeitpunkt, eine ins einzelne gehende stoffliche Regelung für den Religionsunterricht zu treffen. Ich muss aber erwarten, dass die Lehrkräfte den richtigen Weg zur Neugestaltung der religiösen Unterweisung im nationalsozialistischen Sinne finden. Soweit veraltete Bestimmungen dem entgegenstehen, gelten diese als aufgehoben. Im Auftrag: Ringshausen“. Schwöbel und Schreher bekundeten schriftlich, dass sie von obigem Schreiben Kenntnis genommen hatten. Und auf Anweisung der Schulbehörde wurde im Schuljahr 1938 der evangelische Religionsunterricht an der jetzt in eine Oberschule für Jungen umgewandelten Dieburger Lehranstalt von Pfarrer Schwöbel nur noch in drei Wochenstunden erteilt. Evangelischer und katholischer Religionsunterricht wurden ab Ostern 1938 von der Obertertia aufwärts auf je eine Wochenstunde gekürzt.
Auch an der neu gebildeten Dieburger Oberschule für Jungen hatte Pfarrer Schwöbel Gegner. Als er am 5. Januar 1939 bei der Beerdigung eines 21-jährigen Trägers des goldenen Ehrenzeichens der Hitlerjugend – er war schon vor der Machtübernahme Hitlers der Hitlerjugend beigetreten und nahm im Jahr 1932 am „Tag der HJ“ in Potsdam teil – Parteigenossen, NSKK-Mitglieds und Schützen beim Infanterieregiment in Hanau, weder die Hakenkreuzfahnen grüßte noch in seiner Predigt tröstende Worte für den Tod des jungen Mannes fand, der sich vor einen Zug geworfen hatte, sondern den herrschenden Zeitgeist für den Selbstmord verantwortlich machte, wurde dies vom Parteigenossen und Studienrat Axel als Angriff auf die nationalsozialistische Weltanschauung, die Hitlerjugend und die NSDAP ausgelegt und der Schulbehörde gemeldet. Nach der Beerdigung des Parteigenossen trat Axel vor die Trauergemeinde und sagte, dass der Verstorbene nicht ins ewige Leben zu Gott käme, sondern nach „Wallhall“, wo alle Nationalsozialisten hinkämen. Als Vertreter des Direktors der Oberschule für Jungen teilte Axel am 7. Januar 1939 Schwöbel mit, dass wegen seines Fehlverhaltens bei der Beerdigung des Parteigenossen beim „Herrn Reichsstatthalter in Hessen – Landesregierung – ´´ der Antrag gestellt wurde, ihn vom Religionsunterricht zu entheben und er ihn mit sofortiger Wirkung von der Erteilung des Religionsunterrichts an der Oberschule für Jungen beurlaube. Dr. Hans Axel, Jahrgang 1898, verheiratet, mit dem Konfessionsstand „gottgläubig“ („ggl.“) versehen, war seit dem 15. August 1925 an der Dieburger Schule tätig und unterrichtete dort die Fächer Mathematik, Physik und Angewandte Mathematik. Im Zweiten Weltkrieg war er Wehrmachtssoldat. Aus dem Entnazifizierungsverfahren ging Axel wie viele Nazis unbeschadet hervor. Der Prozess der Entnazifizierung reinigte ihn von braunen Flecken und verhalf ihm zu einer weißen Weste. Am 31. März 1964 wurde er – nun als Lehrkraft der Goetheschule mit den Sekundarstufen I und II – in den Ruhestand versetzt. Nach der Hitlerzeit engagierte sich Axel – jetzt geläutert – in der evangelischen Kirchengemeinde Dieburg.
Am 3. Februar 1939 teilte Schulleiter Dr. Hescher Pfarrer Schwöbel mit, dass der „Herr Reichsstatthalter in Hessen – Landesregierung – ´´ mit Verfügung vom 27. Januar 1939 die ihm zur Erteilung des lehrplanmäßigen evangelischen Religionsunterrichts in Dieburg gewährte Genehmigung zurückgezogen habe. Auch beauftragte die Schulbehörde die Direktion der Oberschule für Jungen, die Vergütung Schwöbels für die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichts nur bis zum Tag des Dienstaustritts an die Evangelische Landeskirchenkasse Nassau-Hessen in Darmstadt zahlen und verrechnen zu lassen. Der Tag des Dienstaustritts von Pfarrer Schwöbel war der 4. Februar 1939. Schulleiter Hescher bat die Schulbehörde zu genehmigen, dass der Altheimer Pfarrer Dr. Ludwig Hahn, der zur Erteilung des schulplanmäßigen evangelischen Religionsunterrichts an der Dieburger Schule zugelassen war, die Nachfolge von Pfarrer Schwöbel antreten solle. Hahn, der am 16. Oktober 1934 die Pfarrei Altheim übernahm, gestaltete zu diversen politischen Feiern auch immer wieder Gottesdienste. So einen anlässlich der Saarbefreiung am 16. Januar 1935, Dankgottesdienste zur Erinnerung an die Machtübernahme durch Hitler am 29. Januar 1935 und 1936, sowie einen Feldgottesdienst im Schulhof zur Maifeier in Berlin 1935. Pfarrer Hahn wurde am 15. Februar 1939 von Schulleiter Hescher in den Dienst eingewiesen. Im Mai 1939 wurde Hahn zum Heeresdienst einberufen und am 8. August 1939 schrieb er der Direktion der Oberschule Dieburg folgende Zeilen: „Da ich vom 15. August bis 20. September 1939 zu meiner ersten Pflichtübung bei der Wehrmacht eingezogen bin, kann ich meinen Dienst nach den Sommerferien noch nicht antreten. Wie das Landeskirchenamt mitteilt, ist Pfarrer Klingelhöffer in Hering mit dem Dienst ab 15. August an Ihrer Schule betraut worden. Heil Hitler! Hahn.’’
Hahns letzte Pfarrstelle war in Ueberau bei Reinheim, wo er am 26. Juni 1958, 52 Jahre alt an Folgen des Krieges früh verstarb.
Wenn die Würde des Menschen wie vielfach heutzutage wieder im Konjunktiv steht, wenn der Rassismus wiederauflebt, dann ist der kleine Widerstand – so wie ihn Pfarrer Karl Philipp Schwöbel gelebt hat -, dann ist der Aufstand der Enkel und Erben der Weißen Rose aufgerufen. Dieser kleine Widerstand ist wichtig, weil es nie mehr dazu kommen darf, dass es den großen Widerstand braucht. Der kleine Widerstand gehört daher zur wehrhaften Demokratie; auch der Widerstand dagegen, dass sich heute Rechtsextremisten und extremistische Populisten zu Widerständlern stilisieren.
Wer an Europa zweifelt, der sollte Verdun besuchen
Dieburger Goetheschüler besichtigten in Lothringen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts besuchten die Schülerinnen und Schüler der Klassen G9a und G9c mit ihren Lehrkräften Sina Lannert, Sandra Paul und Karl Rupp am 21. und 22. Mai 2019 Schauplätze des Ersten Weltkriegs um Verdun und Metz in Lothringen/Frankreich. Sie setzten damit auch ein klares Zeichen gegen die in der EU überall gegenwärtigen nationalistischen, antieuropäischen populistischen Tendenzen. Denn den Europa-Skeptikern muss laut den Goetheschülern ins Stammbuch geschrieben werden, dass der Grundstein für die EU nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt wurde, um die Verständigung der zuvor über Jahrhunderte verfeindeten Nationalstaaten zu verbessern und zukünftige Kriege zu vermeiden.
Erstes Ziel der Fahrt war das Schlachtfeld Caureswald und das Memorial de Verdun, ein Museum, welches mit zahlreichen Quellen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und speziell der 1916 erfolgten Schlacht um Verdun aufwarten konnte. Schon dort konnten sich die Schülerinnen und Schüler einen Eindruck verschaffen, unter welch großem Elend sich das Leben und Sterben in der “Hölle von Verdun” abspielte. Verstärkt wurde dieser Eindruck auch durch den Besuch des Forts Vaux, eines von ehemals 28 Festungswerken um Verdun. Die starken Zerstörungen am Fort zeugen noch heute von den erbitterten Gefechten, die sich die deutschen und französischen Soldaten um diese Stätte lieferten. Gleichfalls besichtigte die Lerngruppe auch das Beinhaus von Douaumont und die umliegenden Gräberfelder und legte ein Blumengebinde nieder. Noch heute ist dort die Landschaft, deren Boden von Millionen Granaten und Geschossen zerfetzt wurde, von Kratern geprägt. Im Beinhaus sind die Überreste von über 130.000 unidentifizierten Soldaten beider Kriegsparteien bestattet. Auch sie sind verstummte, aber doch mahnende Zeugen, die die Nachgeborenen auf ewig daran erinnern sollen, dass so etwas nie wieder passieren darf. In den heutigen Zeiten, in denen viele Politiker aus aller Welt Hass und Angst schüren, eine umso wichtigere Botschaft. Den Abschluss des Ersten Exkursionstags bildete die Fahrt zum “Meuse-Argonne American Cemetery and Memorial”, dem mit über 14.000 Grabstellen größten US-amerikanischen Militärfriedhof in Europa bei Romagne-sous-Montfaucon. Auch dort gedachte die Schülergruppe der Toten und legte Blumen nieder.
Bevor die Goetheschüler am zweiten Lehrausflugstag die Stadt Metz erreichten, machten sie Halt am deutschen Soldatenfriedhof Hautecourt, der 7.885 Kriegstote beherbergt. Die dortigen zwölf Gräber der Gefallenen jüdischen Glaubens erhielten aus religiösen Gründen als Kennzeichnung statt eines Kreuzes eine Grabstelle aus Naturstein. An einem dieser Gräber gedachten die Dieburger in einer Schweigeminute der Gefallenen und der Opfer aller Kriege und legten Blumen auf das Grab. Ganz in der Nähe des Soldatenfriedhofs Hautecourtliegt das Dorf Braquis. Dort fiel am 4. März 1916 Franz Marc, einer der bedeutendsten Maler des Expressionismus in Deutschland. Ein Granatsplitter traf ihn in den Kopf. Eine Gedenktafel erinnert bei Braquis an den Mitbegründer der Künstlergruppe “Blauer Reiter”, deren Werke in der NS-Zeit als “entartet” galten.
In Metz, der Hauptstadt Lothringens besichtigten die Dieburger Schüler – professionell geführt – die Altstadt mit ihrer berühmten gotischen Kathedrale Saint-Étienne, für die der französische jüdische Maler Marc Chagall mehrere Fenster entwarf.
Die Exkursion der Goetheschule in Verdun, die unmittelbar vor den Europawahlen am kommenden Sonntag stattfand, regte die Schüler wie auch ihre Begleitlehrer zum Nachdenken an. „In Frankreich ist der Erste Weltkrieg, hier eigentlich nur La Grande Guerre genannt, viel stärker präsent als in Deutschland“ sagt Französischlehrerin Frau Sandra Paul. „Neben der französischen Flagge weht aber immer auch die Europafahne, ein wichtiges Symbol für ein geeintes Europa. Je länger der Krieg her ist, desto wichtiger wird es, unseren Schülerinnen und Schülern zu erklären, was er für den Frieden in Europa bedeutet.“
Auch die 55 Dieburger Jugendlichen haben angesichts ihrer Eindrücke aus Verdun zu schätzen gelernt, für was die deutsch-französische Versöhnung und der Wiederaufbau Europas nach den Weltkriegen steht. In Verdun appellierten sie an alle Europäer, am Sonntag wählen zu gehen. Ausgestattet mit Europafahnen und einem großen Schild im Fenster des Reisebusses mit dem Schriftzug „L’EUROPE D’ABORD !!!“ (Europa zuerst!) setzen sie ein klares Statement für Europa.
SchülerInnen der Goetheschule erinnern zusammen mit der Volkshochschule an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren
Simon Lorch III. war Mitglied einer jüdischen Familie in Dieburg, die seit Generationen in der ehemaligen Kreisstadt lebte. Er war ein hochdekorierter Soldat des 1. Weltkriegs, was ihn nicht vor Verfolgung durch die Nationalsozialisten schützte. So wurde Simon Lorch mit 9 weiteren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Dieburgs bereits einen Tag nach den gewaltsamen Ausschreitungen in der Pogromnacht in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo er unter ungeklärten Umständen am 27.11. 1938 verstarb.
Die Gedenkveranstaltung der Volkshochschule Darmstadt-Dieburg fand heute gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Klasse G10d der Goetheschule Dieburg und deren Geschichtslehrer Herrn Karl Rupp statt, die dem Schicksal Simon Lorchs und vieler weiterer Menschen jüdischen Glaubens, die vor 80 Jahren Opfer von Gewalt wurden, gedachten.
Eröffnet wurde die Gedenkfeier durch Landrat Klaus Peter Schellhaas, der Kreistagsvorsitzenden Dagmar Wucherpfennig und Bürgermeister Frank Haus im Sitzungssaal des Landratsamts Dieburg. Die Schülerinnen und Schüler der G10d zeichneten anschließend die Lebenswege der verschleppten Dieburger Juden nach. Danach wurde am Gedenkstein vor dem Landratsamt all derer gedacht, deren Leben sich am 9. November 1938 schlagartig verändert hat.
Exkursion ins Elsass
Kurz vor den Sommerferien begab sich die Klasse G10a zusammen mit ihrer Klassen- und Französischlehrerin Sandra Paul und Geschichtslehrer Karl Rupp ins Elsass, um die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof zu besichtigen.
Die G10a am Dieburger Gedankenstein
Zusammen mit ihrem Politik und Wirtschaft – Lehrer Karl Rupp gedachten die Schülerinnen und Schüler der Klasse G10a der Opfer der „Reichsprogromnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938. Am Dieburger Mahnmal für die ermordeten Juden („Gedankenstein“) zündeten sie Kerzen an und legten Steine und ein Blumengebinde nieder.
Goetheschule Dieburg auf Friedensmission in Verdun, Lothringen
Die Exkursion zweier neunten Klassen im Rahmen des Geschichtsthemas Erster Weltkrieg
Es kam den 46 Schülerinnen und Schülern und deren Begleitlehrer vor wie die Reise mit einer Zeitmaschine. Knappe fünf Stunden Busfahrt trennten sie von ihrem außerschulischen Lernort in Verdun, Frankreich. Mit den Grundlagen zum Ersten Weltkrieg im Unterricht vorbereitet, würden sie an diesem Mittwoch, den 19. April 2017 die Zeitreise 100 Jahre zurück in der europäischen Geschichte antreten.
Auf dem Programm der G9a und G9b stand zunächst die Besichtigung des Fort Vaux, eine der französischen Festungen nahe der umkämpften Stadt Verdun. Die Schülerinnen und Schüler liefen durch die engen Gänge und Kasematten des Forts und versuchten sich vorzustellen, wie sich die Soldaten 1916 gefühlt haben mussten. Fort Vaux war im Schlachtverlauf von französischen und auch von deutschen Truppen besetzt, die sich erbitterte Kämpfe lieferten.
Im Anschluss ging es zur nächsten Station, dem umgebauten und 2016 wiedereröffneten Mémorial de Verdun. Am 22. Februar öffnete es zum 100. Jahrestag des Beginns der Schlacht um Verdun seine Pforten. Das Mémorial de Verdun stand im Mittelpunkt der Gedenkfeierlichkeiten, an der der noch amtierende französische Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahmen.
Die Schüler waren fasziniert von diesem Mémorial, denn es lud dazu ein, die unzähligen Exponate hautnah zu erleben. Auf mehreren Ebenen wird Besuchern der Erste Weltkrieg visuell und akustisch erklärt und veranschaulicht.
Der letzte Stopp der Goetheschüler war schließlich das Beinhaus von Douaumont. Es ist eine französische nationale Grabstätte der Gefallenen, die nach der Schlacht um Verdun nicht identifiziert werden konnten. In ihm befinden sich die Gebeine von über 130.000 nicht identifizierten französischen und deutschen Soldaten. Im September 1984 trafen sich der französische Präsident François Mitterand und Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer großen Versöhnungsfeier. Das Foto der beiden Politiker, die sich vor dem Beinhaus an den Händen halten, ging um die Welt. Die Außenanlage des Beinhauses bietet einen Blick auf die Kriegsgräber von ungefähr 16.000 französischen Soldaten.
Man sah den 46 Neuntklässlern die Ehrfurcht vor diesem geschichtsträchtigen Ort an. Emotional bewegt legten sie Blumensträuße nieder, gefolgt von einer Schweigeminute, in der sie an die Gefallenen beider Nationen dachten.
Die Exkursion, die unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich stattfand, hinterließ in den Schülern sowie deren vier Lehrerinnen und Lehrern ein Gefühl der Hoffnung auf ewig andauernden Frieden in Europa. Die Neuntklässler haben in Verdun verstanden, wie wichtig die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich für ein stabiles geeintes Europa ist, in dem es keinen Platz für pro-nationale Parteien geben darf. Mit Europa-Fähnchen ausgestattet, appellierten sie an alle Franzosen, am Sonntag wählen zu gehen. Frankreich muss in der EU bleiben, sodass sich die Geschehnisse in Verdun vor hundert Jahren nie wiederholen werden!
Erinnerungsarbeit – ein verbindlicher Teil des Geschichtsunterrichts
Erinnerung an die Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs, an die Verfolgung politisch Andersdenkender, an die Unterdrückung Unerwünschter, an die Vernichtung missliebiger ethnischer und gesellschaftlicher Minderheiten, die so wesentliche Bestandteile der Herrschaftstechnik des nationalsozialistischen Regimes waren, ist ein wichtiges Element des Geschichtsunterrichts der Goetheschule.
Erinnerung realisiert sich vor allem an Orten.
Die Schüler sind dort mit konkreten Überresten historischen Geschehens konfrontiert, aber auch mit Assoziationen.
Als Stätten konkreter Erinnerung dienen den Schülern der Goetheschule der Dieburger Judenfriedhof, die Stätte der Euthanasie-Morde in Hadamar, die KZ- Gedenkstätten Osthofen bei Worms, Buchenwald und Natzwiller-Struthof (Frankreich), das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, der Russische Soldatenfriedhof in Klein-Zimmern und die Schlachtfelder von Verdun (Frankreich).
Auch die Befragung von Zeitzeugen und Recherchen im Stadtarchiv Dieburg und im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt sind fester Bestandteil der Erinnerungsarbeit im Geschichtsunterricht der Goetheschule.